Themen

Nachruf für den Architekten Dr.hc. Wolfgang Hänsch

8. Januar 2014

Wir trauern um den Verlust unseres hochverehrten Kollegen Wolfgang Hänsch. 
Am 16. September ist er nach einer kurzen schweren Erkrankung im Beisein seiner Angehörigen in Dresden gestorben.

Wolfgang Hänsch war der wohl erfolgreichste und verdienstvollste Architekt der Nachkriegszeit in der Stadt Dresden. Kein anderer Architekt hat sich über einen so langen Zeitraum von mehr als 50 Jahren und mit so viel Hingabe um den Wiederaufbau der zerstörten Stadt bemüht und preisgekrönte Bauwerke geschaffen, die weit über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung erlangten, einige von ihnen errangen sogar internationale Berühmtheit. Mit vielen seiner Bauten setzte er Maßstäbe in der Entwicklung einer zeitgemäßen Architektur in Dresden, einige zeugen von seinem meisterhaften Können in der Bewältigung einer von höchsten Ansprüchen geprägten Rekonstruktion historischer Bauwerke.

Wolfgang Hänsch hatte einen ganz erheblichen Anteil an der Überwindung der in den fünfziger Jahren herrschenden Architektur des sogenannten „Nationalen Kulturerbes“. Ihm gelang der Durchbruch zu einer modernen Architektur der Nachkriegszeit mit seinem damals Aufsehen erregenden Straßenzug an der Borsbergstraße. Es war zugleich der Beginn des industriellen Bauens in Dresden. Mit diesem Projekt stieg Wolfgang Hänsch auf in die erste Liga der in Dresden tätigen Architekten. Bei der Fertigstellung der Borsbergstraße war er erst 27 Jahre alt.

Danach plante er in ununterbrochener Folge die ebenfalls in der Fachwelt hoch anerkannten Bauten an der Webergasse, ein Kinderkaufhaus an der Wallstraße, das „Haus der Presse“ an der Ostraallee und andere wichtige Vorhaben.

Anfang der sechziger Jahre übernahm er als Chefarchitekt die Planung des Kulturpalastes. Leopold Wiel, der mit seinem Wettbewerbsentwurf die Grundlagen für dieses Bauwerk geschaffen hatte, bezeichnete es als einen Glücksfall, dass mit der Planung des Palastes der Erfolg verheißende junge Architekt Wolfgang Hänsch beauftragt wurde. Wie er dieses anspruchsvolle Bauwerk zum Erfolg geführt hat rief eine Welle der Begeisterung und der Bewunderung hervor. Große Künstlerpersönlichkeiten spendeten dem Bauwerk höchstes Lob und die Fachwelt pries den Palast als eine der bedeutendsten Architekturleistungen der Nachkriegsmoderne in der Stadt Dresden.

Was lag näher als dem erfolgreichen Architekten die Planung für den Wiederaufbau der Dresdner Semperoper zu übertragen? Wie souverän er diese höchstkomplizierte
Bauaufgabe bewältigte versetzte alle mit dem Bau Verbundenen in größte Bewunderung. Mit sicherer Hand hat er die vielen Experten und Spezialisten koordiniert, die komplizierten Planungsprozesse geleitet und die denkmalpflegerischen Forderungen und Ansprüche in großartiger Weise erfüllt. Und wie er die neuen Funktionsgebäude als eine baukörperliche Gruppierung von drei quadratischen Bauten, durch gläserne Brücken untereinander und mit dem Opernhaus verbunden, zu einer großartigen städtebaulichen Gesamtkomposition geführt hat, zählt zu dem Besten, was in Dresden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Architektur geschaffen wurde.

Kurz nach Vollendung des Wiederaufbaues erschien im Verlag für Bauwesen sein Buch „Die Semperoper“. In diesem umfangreichen Werk hat er die kunstinteressierte
Leserschaft mit dem Leben und dem Werk Gottfried Sempers vertraut gemacht, über die Geschichte der Dresdner Theaterbauten und über die verschiedenen Planungsansätze und –etappen ausführlich berichtet. Dieses Buch hat große internationale Anerkennung gefunden und zählt zu den wichtigen Werken der Dresdenliteratur.

Trotz der großen Erfolge, die Wolfgang Hänsch erringen konnte, hat er sich niemals dazu hinreißen lassen, Starallüren anzunehmen. Seine persönliche und gesellschaftliche Integrität, seine wohltuende und bescheidene Art im Umgang mit Partnern, Kollegen und Freunden, zeichneten ihn aus als einen Menschen, dem man mit Hochachtung begegnen musste.

Besonders hervorzuheben ist seine umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit. In den siebziger und achtziger Jahren übernahm er das Amt des Vorsitzenden der Bezirksgruppe Dresden des BdA. In dieser Funktion hat er mit großem diplomatischen Geschick und unanfechtbarer fachlicher Kompetenz die Interessen der Architekten und die Belange der Architektur in oftmals schwierigen politischen und ideologischen Auseinandersetzungen vertreten und verteidigt – ohne Mitgliedschaft in der Partei.

Nach der Wende übertrug ihm der neu gegründete BDA die Würde eines Ehrenmitgliedes. Die ebenfalls nach der Wende gegründete Sächsische Akademie der Künste berief ihn als ordentliches Mitglied in die Klasse Baukunst. Die Technische Universität Dresden verlieh ihm die Würde eines Ehrendoktors. Er ist auch Ehrenmitglied der Architektenkammer Sachsen.

In der neuen Zeit nach der Wiedervereinigung ließ sich Wolfgang Hänsch als freischaffender Architekt nieder und widmete sich mit großer Schaffenskraft wichtigen Bauaufgaben, so u.a. der Rekonstruktion des Zuschauerraumes im Dresdner Schauspielhaus. Immer wieder hat er mit großer Leidenschaft und oft erfolgreich an Wettbewerben teilgenommen und Studienprojekte erarbeitet. Seine große zeichnerische Begabung war ihm ein ständiger Begleiter seiner schöpferischen Tätigkeit. Ihm zu Ehren gab es mehrere Ausstellungen und Veröffentlichungen.

Die letzten Jahre seines Lebens waren überschattet durch das umstrittene Vorhaben, seinen Kulturpalast radikal umzubauen. Insbesondere verletzte ihn die Zerstörung des Festsaales, um einen reinen Konzertsaal für die Dresdner Philharmonie zu bauen. Er kämpfte um sein Urheberrecht, das ihm in der zweiten Instanz auch zuerkannt wurde, aber die Interessen der Stadt Dresden für die funktionellen Veränderungen überwogen in der Urteilsfindung des Oberlandesgerichtes. Dass ein prominentes Mitglied des BDA die Umbauplanung übernommen hat ohne sich mit dem Schöpfer
abzustimmen, berührt eine moralische Komponente, die der Satzung des Berufsverbandes BDA absolut widerspricht.

Der BDA Dresden hat der Landeshauptstadt Dresden den Vorschlag unterbreitet, Wolfgang Hänsch die Würde eines Ehrenbürgers zu verleihen.

Prof. Dr.Ing.habil. Manfred Zumpe
Ehrenmitglied BDA LV Sachsen