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Rückblick : Tel Aviv – Eine Fachexkursion des BDA Sachsen 2015

9. Juni 2015

Aus dem Hebräischen übersetzt bedeutet der Name Tel Aviv „Hügel des Frühlings“ – ein für damalige Verhältnisse, zu Anfang des 20. Jahrhunderts, ziemlich utopischer Anspruch für die Schaffung eines Ortes zwischen Mittelmeer und Treibsand.
1925 entwickelte Sir Patrick Geddes einen Masterplan – mit einem der englischen Gartenstadtbewegung entlehnten Leitmotiv – mit hierarchischen Straßennetz, breiten Boulevards und vielen Plätzen, der das Gesicht dieser Stadt prägen sollte. Auch wenn in den Dreißigerjahren der Geddes-Plan durch einen rapiden Bevölkerungszuwachs, bedingt durch die Einwanderungswelle, die dem Naziterror folgte, verändert werden musste, ist dieser Ansatz heute noch lesbar. In der Zeit der 1930-er bis 1940-er Jahre wurden die Grundideen der europäischen Bauhauslehre nach Israel gebracht und in diese Struktur gebaut, die „Weiße Stadt“.
Ein Großteil der 4000 Gebäude – als Zeugnis eines einzigartigen Laboratoriums des modernen Bauens, in einer klimabedingten, mediterranen Variante – wurde zu Recht im Jahr 2003 UNESCO Weltkulturerbe. Dem Bauhausstil folgten später der Strukturalismus und Brutalismus.

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Die Ideen, die Architekten wie Arieh Sharon, Zeev Rechter oder Richard Kauffmann, um nur einige zu nennen, nach Israel trugen, entsprachen in ihrer Schnörkellosigkeit, Anmutung, funktionaler Tauglichkeit und – nicht unwesentlich- bezahlbar, dem gesellschaftlichen Ideal der sich findenden israelischen Gesellschaft. Eine junge Nation, die sich auch baulich selbst erfinden musste, wenn man einmal von arabischen oder eklektizistischen Strömungen in dieser Zeit absah.
Eine Fachexkursion von BDA Architekten aus Mitteldeutschland war ein logischer und lang gehegter Traum. Das Wissen um die komplizierte Vorbereitung, mehr als z. B. die Fahrten nach Antwerpen, Ljubljana, Madrid oder Dublin in den Jahren davor, ließ uns bereits 2013 beginnen. Im September 2014 wollten wir reisen, doch mussten wir wegen Terror und kriegerischen Auseinandersetzungen in Gaza stornieren.

 

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Ein halbes Jahr darauf, im April 2015, landeten wir endlich zu Beginn der ersehnten Reise am Terminal 3 des Flughafens Ben Gurion – benannt nach dem Staatsgründer -, glücklich, durch die Sicherheitsbefragungen gekommen. Acht Tage lagen vor uns, die Architektur, das Land, seine Menschen und ihr Denken kennenzulernen. Frank Ludwig, 15 Jahre Korrespondent für die ARD in Israel und durch sein Studium der Arabistik ein ausgesprochener Kenner der Geschichte und Kultur des arabischen Raumes, begleitete uns. Er war Übersetzer, Türöffner und Erklärer in einem. Wesentliche Unterstützung und Betreuung erhielten wir von der ersten bis zur letzten Minute von Shlomit und Michael Gross vom BAUHAUS Center Tel Aviv. Gavriela Nussbaum von der IAUA sei für viele benannt, die uns in diesen Tagen zur Seite standen.
Gewohnt haben wir inmitten des Bauhausareals, im Hotel „Cinema“, errichtet 1938, am Dizengoff-Platz. Das Hotel atmete durch eine gelungene Sanierung seine Vergangenheit als Kino „Ester“ und steht als beredtes, erlebbares Zeugnis für das Bauhaus-Erbe. Ein Erbe, was durch den Transfer ein Stück Europa in Asien schuf. Die weiße Moderne traf dabei auf ein anderes Klima, eine andere Kultur und eine andere Landschaft – und sie veränderte sich.
Architekten aus den besten europäischen Hochschulen kombinierten das Bauen mit der vor Ort vorherrschenden Meisterschaft des Mauerns, stelzten die Häuser zum Schattenspenden und Wind entwickeln. Sie verkleinerten die Fenster – deren Anordnung als Bänder wurden durch starke Mauerbrüstungen ersetzt. Sie integrierten Patios, Arkaden und vergitterte Wandteile. Das Ergebnis ist bei aller Homogenität so vielfältig, wie die kulturellen Hintergründe ihrer Erbauer. Aber alle einte die Idee des Bauhauses. Bis weit in die 90-er Jahre gerieten die Qualitäten in Vergessenheit, doch nunmehr ist ein Denkmalschutzplan
rechtsgültig und Erfolge sichtbar, wie die Bebauungen um den Dizengoff-Platz oder am Rothschild Boulevard beweisen.
Einen Plan, auch mit pragmatischen Ansätzen, haben wir lange am Beispiel diskutiert, ob
es erlaubt sein darf, für eine denkmalschutzrechtliche Sanierung zwei bis drei Stockwerke auf die Gebäude zu setzen, oder diesen Anspruch zu verkaufen. Auf das Hotel wurde, trotz Drucks eines kommerziellen Erfolges, nichts aufgesetzt. Es bildete unser Basislager für die täglichen Exkursionen, die uns nicht nur durch die Weiße Stadt geführt haben. Wir durchstreiften die älteren Teile wie Neve Tzedek, die Templerkolonie Sarona oder auch die ehemals eigenständige Hafenstadt Jafo – und selbstverständlich auch das moderne, quirlige Tel Aviv. Wir besuchten das „Museum of Art” von Preston Scott Cohen, den Shalom Meir Tower – in ihm befindet sich das Stadtmodell – oder die Azrieli Towers. Der Blick von der Observatory Plattform in der 49. Etage auf die Stadt war unvergesslich.

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Weitere Höhepunkte waren ebenso die Besichtigungen des Weizmann House von Erich Mendelsohn, errichtet 1936, oder des Design Museums Holon aus dem Jahre 2010.
Die Abende verbrachten wir bei guten Gesprächen zur Reflektion des Erlebten, ziemlich pflastermüde auf der Dachterrasse, am Strand oder auch vor einem der vielen Lokale rund um unser Hotel.
Wir verließen auch die Stadt, waren bei den Hospitalitern aus dem 12. Jahrhundert in Akkon, in Haifa schauten wir auf die Bahai-Gärten und an einem aus Deutschland in den Dreißigerjahren importiertem Kupferhaus vorbei, besichtigten das Hotel Elma Arts Complex, welches aus einem stillgelegten Sanatorium entwickelt wurde. Einige von uns scheuten den lohnenswerten Weg an das Tote Meer nicht.
Man kann natürlich nicht ernsthaft behaupten, in Israel gewesen zu sein, ohne Jerusalem gesehen zu haben. So standen wir an der Klagemauer, gingen durch das Löwentor und besichtigten die Grabeskirche. Für das Israel-Museum mit dem „Schrein des Buches“ hätten wir mehr Zeit einplanen, einen ganzen Tag verbringen müssen.
Die gleiche Zeit sollte man dem von Moshe Safdie Architects 2005 fertig gestelltem Yad Vashem Holocaust Museum geben. Wir sahen nur einen Teil und waren dennoch tief aufgewühlt. Ein paar Tage davor erlebten wir, wie allgegenwärtig noch im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert ist, was dem jüdischen Volk vom deutschen zugefügt wurde.
Am 16. April, dem Holocaust-Gedenktag, standen wir, gemeinsam mit den Menschen des Landes, tief bewegt und still auf der Straße, als für zwei Minuten alle Sirenen daran erinnerten.
Jeder Einzelne unserer Gruppe hat während der Tage beschlossen, wieder zu kommen – mit der Familie, mit Freunden oder allein -, um dieses großartige Land weiter kennenzulernen, um jedem zu Hause davon erzählen zu können – auch wenn man sich mit so manchem nicht einverstanden erklären kann.
Wir sollten alle einmal dort gewesen sein, um zu verstehen: Schaut auf das Land und vor allem auf seine Menschen, hinterfragt kritisch die bisweilen oberflächlich formulierten Zwischentöne in der Presse und bei politischen Repräsentanten beider Seiten.
Wir erlebten ein unheimlich junges, politisch engagiertes, lebensfrohes, aufgeschlossenes Volk, das es uns sehr einfach machte, uns heimisch zu fühlen.

Aufgestellt:
Leipzig, 28.05.2015
Ronald R. Wanderer
Landesvorsitzender

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